Der „Atemdoktor“

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Leben

Johannes Ludwig Schmitt (1896 – 1963) war Mediziner, Schriftsteller, engagierter Bürger und zählt zu den Pionieren der Atemheilkunst in Deutschland. Sein vielseitiges Temperament führte
zu intensiven politischen und intellektuellen Auseinandersetzungen, die sich in drei Etappen entfalteten: in der Weimarer Republik, im Dritten Reich und in den Jahren des Wiederaufbaus
der jungen Bundesrepublik. Diese Auseinandersetzungen nötigten ihn mitunter, gegen herrschende Trends und Autoritäten Position zu beziehen, auch wenn ihn dies persönlich in Gefahr brachte.


So kam es während des Dritten Reichs schon 1934 zu seiner Verhaftung und versuchten Ermordung; daraufhin zur Enteignung seiner Münchner Klinik und seiner Ausweisung aus dem Münchner Stadtgebiet, so dass er nach Berlin ziehen musste, um dort eine neue Praxis zu gründen; und schließlich, ab 1941, zu einer mehrjährigen Inhaftierung im KZ Sachsenhausen.

Auch nach dem Krieg sah sich Schmitt zu unbequemen Stellungnahmen veranlasst. So kam es etwa in den 50-er Jahren zu seinem kassenpolitischen Engagement, in dessen Rahmen er sich kritisch gegen die Kassenärztliche Vereinigung positionierte und den „Münchner Plan zur Reform der Sozialversicherung“ vorlegte. Neben alledem hatte er in seinen Berliner Jahren die Firma „Kundalini“ gegründet, um den Vertrieb der von ihm selbst hergestellten Naturheilmittel zu ermöglichen.

Schmitts intellektueller Werdegang erweist von Anfang an eine sowohl geistesals auch naturwissenschaftliche Sozialisation. Nach seinem Theologiestudium und einer 1923 abgeschlossenen Promotion in Medizin entwickelte er in den 20-er Jahren, unter anhaltender Auseinandersetzung mit der ihm zeitgenössischen Medizin, sowie diversen vormodernen, vorwiegend asiatischen Traditionen des Körperwissens, ein Gesundheitskonzept, das den ganzen Menschen voraussetzte. Wie er es später formulieren sollte, ging es darum, dass „alte Weisheit und junges Wissen sich im offenbar werdenden Bild der Atmung vermählen.“

Dieses Konzept fand seine therapeutische Realisierung im Rahmen der 1930 gegründeten Münchner Naturheilklinik, die in den folgenden Jahren immer beliebter wurde und großen Zulauf genoss. Nach seiner Entlassung aus der Münchner Haftanstalt Stadelheim wurde gegen Schmitt, wie schon erwähnt, ein „Stadtverbot“ für München erlassen, so dass er die Klinik abgeben und nach Berlin ziehen musste. Nach Kriegsende hat Schmitt gegen den Widerstand der provisorischen Stadtverwaltung München seine Klinik zurück erstritten, die er dann bis zu seinem Tod mit großem Erfolg leitete.

Als Leiter der Klinik entwickelte er unter Verwendung differenzierter Verfahren der Atemmassage und -gymnastik den Ansatz seiner Atemtherapie weiter. Dieser Ansatz gehört bis heute zu den Inspirationsquellen der Atemarbeit nach Herta Richter, die in ihrer Ausbildungsstätte „Atemhaus München ‚Herta Richdas Atemhaus von ihren Mitarbeiterinnen geleitet.

Nachlass

Während Schmitts KZ-Haft entstand die Idee und Konzeption eines großen Kompendiums über Atemheilkunst, das er nach dem Krieg in jahrelanger Zusammenarbeit mit seiner Gefährtin und Mitarbeiterin Frederike Richter verfasste und 1959 unter dem Titel „Atemheilkunst“ veröffentlichte. Dieses Werk gilt in der Atemheilmedizin bis heute als ein einzigartiges Standardwerk, das den Atem multiperspektivisch zum Gegenstand nimmt und in evolutionsgeschichtlicher, physiologisch-anatomischer, therapeutischer und lebenskünstlerischer Hinsicht darstellt.

Neben diesem Werk hat Schmitt, außer einer Reihe weiterer Bücher, einen Nachlass aus unveröffentlichten Vorträgen, Essays, Abhandlungen, Dramen, Tagebüchern, Skripten hinterlassen. 2008 wurde der Nachlass von Parwin Abkai im Auftrag von Herta Richter, dem heutigen Vorstand des Vereins Atemheilkunst Johannes Ludwig Schmitt e. V., archiviert. Er wird seitdem in den Räumen des Münchner Atemhauses aufbewahrt.

Eine selektive Aufnahme des archivierten Materials auf die Webseite des Vereins ist noch in der Planung. Ansonsten bietet der Verein eine Einsichtnahme in das Archiv zu Forschungszwecken an. Bei Interesse wird um Anmeldung und Terminabsprache gebeten.

Struktur des Archivs

Das Archiv wurde 2008 im Auftrag Herta Richters von Parwin Abkai erstellt.

Ausgehend vom Korpus des Nachlasses ergab sich wiederholt die Gelegenheit, den Bestand durch Dokumente zu ergänzen, die sich im Besitz der Firma Jukunda befanden.

Das gesamte Material wurde dann systematisch erfasst und geordnet. Als Ergebnis sind daraus 16 thematische Mappen hervorgegangen, innerhalb derer die Dokumente chronologisch geordnet sind. Der Bestand wurde je nach Umfang der verschiedenen Themenbereiche in Kisten und Schachteln abgelegt.

Die thematischen Mappen sind:

  1. Aufsätze: Manuskripte und Typoskripte
  2. Schriften: (Dramen, Graphologie, Charakterologie, Astrologie, Biologische Heilsysteme, Naturheilkunde). überwiegend nicht publiziert.
  3. Vorträge: 1927-1928, 1931-1932-1933 (Typoskripte, nicht gebunden, lose Blätter)
  4. Kurse und Übungen: Kurse 1928-1930, Übungen 1961-1962, „Kundalini“, „gymnastische Übungen“, „Tonübungen“, „Atemgymnastik“, „Affekte“, „Erneuerungen“ (Typoskript, lose Blätter)
  5. Gebundene Vorträge: 1929, 1930, 1931(insgesamt 5 Bde.)
  6. Persönliche Dokumente: Briefe, Tagebücher, Fotos
  7. Rezensionen von „Atemheilkunst“
  8. Publikationen in Zeitungen und Zeitschriften
  9. Firmen „Kundalini“ und „Jukunda“
  10. Gerichtsverfahren „Himmlers Arzt“ 1949
  11. Gerichtsverfahren Schmitt-Severing 1963
  12. Verleumdungs- und Beleidigungsklagen 1947-1948
  13. „Arzt Echo“ 1957-1961
  14. Nachrufe
  15. Regelung des Nachlasses
  16. Freundeskreis Dr. Schmitt

Pdf-Dateien zum Download

Der Atemdoktor

Klinikhandzettel

Die Therapie der Schmittklinik

Die Atemmassage Schmitts- O.Hauck